Sonntag, 29. September 2013

Tor! Tor! Tor! Eine neue Spielidee für Nepal!

Bepackt mit unseren Bausätzen für ein Klammerfußballspiel fuhren wir am Samstag, 28.9.2013, mit dem Taxi zuerst zum K-House, dem Mädchenheim der NYF. Albert hatte zuhause mehrere Bausätze sehr gut vorbereitet und alles im Koffer hierher mitgebracht. Dazu gehören zugeschnittene Brettchen als Spielfeld, der Kunstrasen, bunte Perlen zum Zählen der Tore, eine Wäscheklammer, ein Gummiband, ziemlich viele Nägel. Obendrein einen Hammer, eine Säge und Holzleim. Hier in Nepal haben wir Farben und Pinsel gekauft. (Über das Einkaufen hier gibt es einen extra post.) Wir wurden mit großem Hallo von den Mädchen begrüßt, die uns von unserem ersten Besuch hier schon kannten. Und sie waren natürlich sehr neugierig auf das, was wir in unseren Taschen mitbrachten. Wir selbst waren ebenso gespannt und neugierig auf den Verlauf des geplanten workshops. Nach dem ersten Kennenlernen der Mädchen hatten wir abends mehrmals darüber gesprochen. Auch Rajan Pandit, der Assistant Program Officer der NYF, und Baburam, der Leiter der beiden Wohnheime K- und J-House, sind sehr gespannt auf den Verlauf dieser Aktion. Wir drei haben das Gefühl, dass es für alle Beteiligten ein Pilotprojekt ist.


Die Entscheidung für dieses Spiel fiel deswegen leicht, da Fußball überall auf der Welt gerne gespielt wird und auch in Nepal das Interesse für Fußball sehr groß ist. Jedes Kind kennt hier die Namen einiger deutscher Spieler, wenn auch die Aussprache von Namen wie ¨Schweinsteiger¨ oder ¨Müller¨ nicht so leicht fällt. Zudem kann gerade dieses Spiel von Kindern (fast) jeden Alters gespielt werden. Uns kommt es aber nicht nur auf das Ergebnis des workshops an. Denn auch das Herstellen des Spiels selbst stellt unseres Erachtens für die teilnehmende Kinder und Jugendlichen eine wichtige Erfahrung dar. Die Resonanz bei den hiesigen Erwachsenen, als sie von unserem Vorhaben hören, ist sehr zurückhaltend. Solche Werkerfahrungen scheinen für die Kinder und Jugendlichen, aber auch für die Erwachsenen, völlig neu zu sein. Daran merken wir, wie schwierig es für uns ist, Einblicke in die Erfahrungswelt der nepalischen Kinder und Jugendlichen zu bekommen.
 

Aber all die Überlegungen und Bedenken sind nach der ersten Begrüßung vergessen. Auf einer großen, luftigen Terrasse richtet Albert die einzelnen Teile und Werkzeuge auf einem großen Tisch. Dabei ist auch ein Metermaß. Die Mädchen sind ganz fasziniert davon, sie klappen es Teil um Teil aus und staunen dabei, wie sehr sich dieses Ding entfalten lässt. Anne fängt an, die Körpergröße der einzelnen Mädchen zu messen. Eine große Gaudi für uns alle. Meine 1,86m sind heute zumindest ungeschlagen.


Dann stellt Anne allen 17 Mädchen von K-House das Projekt vor. Diese sind nun mucksmäuschenstillund lauschen gespannt. 


Nun geht es los mit Schleifen, Leimen, Nageln. Jede darf einmal ran, aber nicht alle haben den Mut dazu. Dann werden sie von anderen unterstützt oder angeregt. Sogar die Allerkleinste ist mit großem Eifer und großer Freude dabei. Wir sind erstaunt, mit welchem Elan, aber auch Disziplin und Konzentration die ganze Aktion vorangeht. 17 Mädchen und nur ein Bausatz: ob das auch in Deutschland so möglich wäre?

 

Albert führt die einzelnen Arbeitsschritte vor, zeigt den Gebrauch des benötigten Werkzeugs und Materials, ab und zu macht er ein Witzchen. Die Mädchen verstehen sich mit Albert prächtig und setzen das Gesehene sofort ins eigene Handeln um!





Dann wird noch die Bandenwerbung aus Zeitungen ausgeschnitten und außen auf das fertige Spiel geklebt. Die zwei Spielfiguren, die aus den beiden Hälften einer hölzernen Wäscheklammer aus Italien bestehen, werden noch bemalt. Albert verwendet diese Klammern besonders gerne, da sie besonders groß und daher für kleine Hände sehr gut geeignet sind.



Nach gut zwei Stunden ist das Fußballspiel fertiggestellt und die Mädchen sind zu Recht sehr stolz auf ihr Werk. Nochmal kurz die Regeln erklärt und dann wird mit großem Vergnügen gespielt. 




Anne, Albert und ich werden zum lunch hier im K-House eingeladen. Es gibt leckeres Dal Bhat, das nepalische Alltagsessen. Es besteht aus gekochtem Reis, verschiedenen Gemüsen und als Soße dazu eine Art Linsensuppe. Uns schmeckts gut. Dazu einen Becher kaltes oder heißes Wasser.


Gestärkt durch das leckere Essen und gut gestimmt durch diese positive Erfahrung machen wir uns auf den kurzen Fußweg zum J-House, dem Wohnheim der Jungen. Auch hier werden wir sehr freundlich begrüßt. Albert und ich waren in dieser Woche ja schon mal zum Spielen hier gewesen. Wir drei sind sehr darauf gespannt, wie diese Aktion mit den 19 Jungs verlaufen wird. Genauso entspannt? Albert richtet wieder die Materialien, Anne erklärt den Ablauf und los gehts. Zu unserem großen Erstaunen sind die Jungen mindestens genauso diszipliniert, aber auch hilfsbereit, sich gegenseitig unterstützend und anregend wie die Mädchen.




Die Jungs spielen dann mit großer Leidenschaft das neue Spiel ¨Klammerfußball¨. Und zumindest für heute wird auf dem Spielfeld hinter dem Haus kein Fußball mehr gespielt!




Für alle, die sich das Spiel ¨Klammerfußball¨, das Spiel der Spiele, nachbauen wollen, hier der link zum Bauplan auf Seite 62 im Heft 11 der Zeitschrift ¨Holzidee¨: Bauplan ¨Klammerfußball¨

Hier mehr Infos über die nepalyouthfoundation

Freitag, 27. September 2013

Zweiräder

Zweiräder aller Art sind hier ein wichtiges Verkehrsmittel. Die Spanne reicht vom alten, klapprigen Fahrrad mit platten Reifen über moderne Roller und kleine Motorräder bis hin zu den klassischen Enfields. Die Zweiradfahrer sind m.E. die wahren Helden des nepalischen Straßenverkehrs. Voller Verachtung jeglicher Gefahren, so scheint es, stürzen sie sich in jede noch so kleine und plötzlich bietende Lücke im Verkehrsstrom.



























Fahrräder werden schon auch zum Fahren benutzt. Aber diese Art der Fortbewegung ist nur etwas für besonders leichtsinnige oder stoische Naturen. Zudem benötigt man einen Feinstaubfilter der höchsten Klasse, denn man fährt am Straßenrand und wird von allen anderen überholt, dabei mit Straßenstaub gepudert und von den alten Dieselbussen eingerußt. Zudem wäre ein Gehörschutz gut, da alle, die eine Hupe an ihrem Fahrzeug haben, diese auch unentwegt benutzen. Dabei haben wir den Eindruck, dass das ständige Hupen eher ein Ausdruck von Lebensfreude als ein Warnzeichen oder gar Ausdruck von Aggression ist. Man sieht und hört niemanden schimpfen, gestikulieren oder fluchen.



























Fahrräder werden aber auch sehr häufig zum Transportieren von Lasten benutzt oder sie dienen als mobile Verkaufsstände. Für den Verkauf von Kartoffeln z. Bsp. sind sie zusätzlich mit Waagen ausgestattet, die Apfel- und Bananenverkäufer haben besondere Körbe montiert, in denen das Obst kunstvoll aufgeschichtet wird.





























Hier noch weitere Beispiele für den Ideenreichtum und die gelungene Umsetzung. Wir sind immer wieder von der Vielfältigkeit fasziniert. So zeigt das erste der folgenden Bilder einen Eisverkaufsstand.



























Häufig sind auch Dreiräder zu sehen. Entweder zum Transport von Personen, die sogenannten Rikschas oder als Lastenräder. Die Rikschas sind meistens schön bemalt und bunt geschmückt, allerdings sieht man sie nur an den touristischen Sammelpunkten wie am Durbar Square in Kathmandu oder im Stadtviertel Thamel. Nepalis benutzen sie eigentlich nicht.




























Bei den motorisierten Zweirädern gibt es verschiedene Kategorien. Am Beginn der Rangordnung fahren die kleinen Roller, besetzt mit 1 bis 4 Personen. Diese Roller werden häufig auch von jungen Frauen bewegt. Gerne mit modischen, leichten Schläppchen an den Füßen. Inzwischen gibt es nur noch ganz vereinzelt Zweitakter, so dass das einzige wahrnehmbare Geräusch von diesen Fahrzeugen deren quäkendes Hüplein ist. In der Rangfolge darüber kommen dann die 100er bis 150er Kleinmotorräder, meistens Hondas oder indische Fabrikate. Sie stellen die meisten Teilnehmer im städtischen Straßenverkehr. Besetzt auch mit bis zu 4 Personen, d.h. der ganzen Familie. Aber auch kombinierter Lasten-Personentransport ist möglich. Kleine Bemerkung am Rande: Eine GS oder sonstige Enduro habe ich trotz teilweise katastrophaler Straßen hier bislang noch nicht gesehen. Ich überlege schon, wie es hier mit (m)einer RT zu fahren wäre. Meine Erfahrungen mit den russischen Landstraßen in diesem Sommer machen mich leichtsinnig oder mutig....




























Einen Helm trägt immer nur der Fahrer. Auf Nachfrage haben wir erfahren, dass nach der Einführung der Helmpflicht auch für Beifahrer die Überfälle und Handtaschendiebstähle durch vorbeifahrende Zweiräder enorm zugenommen haben. Daher wurde diese Pflicht wieder abgeschafft - mit dem Ergebnis, dass diese Delikte wieder stark abnahmen. Ganz oben in der Rangfolge der Zweiradhierarchie, aber auch am seltensten zu sehen, sind die einzylindrigen Enfield Bullets, indische Nachbauten ehemals britischer Maschinen aus der Kolonialzeit. Diese fallen durch ihren besonders tiefen und bollernden Klang auf. Für Albert und mich ein betörender Sound! Anne zeigt wenig Verständnis für unsere Bemerkungen dazu.



























Augenscheinlich benötigt man hier in Nepal einen Führerschein. Allerdings haben wir noch nie ein ausgewiesenes Fahrschulauto o.ä. gesehen. Wir werden versuchen, das Verfahren zu erfragen.


Was hier zum Zweiradfahren auch dazu gehört, sind die vielen Reparaturwerkstätten, die auch immer als solche zu erkennen sind. Die Ausstattung ist immer ähnlich, oft wird vor dem Werkstattgebäude am Straßenrand, inmitten des tosenden Verkehrs, geschraubt. Glaspaläste wie bei uns gibt es hier nicht, sehr selten sieht man markengebundene Werkstätten für die beliebten und robusten Motorräder aus Indien.



Aber es ist doch beruhigend zu wissen, dass man alle Arten von Reifen und Profilen hier bekommen kann. Die großen Drei des Motorradzubehörs gibt es hier (noch) nicht, scheint aber auch nicht notwendig zu sein. Bei einem unserer Spaziergänge hier in Lalitpur entdecken Albert und ich eine Lackierwerkstatt für Motorradteile. Die Kotflügel und andere Teile werden in mühevoller Handarbeit sorgfältigst geschliffen, grundiert und dann lackiert. Aktuell gibt es viel zu tun, da viele Motorradfahrer zum bevorstehenden Dashain-Fest mit frisch lackiertem Motorrad fahren wollen. Im Gespräch mit dem Werkstattleiter erfahren wir außerdem, dass der einzige Harleyfahrer Nepals der Prinz der ehemaligen Königsfamilie ist, ein echter ¨King of the road¨ im Ruhestand! Albert ist also in bester Gesellschaft.


























Spektakulär ist die Sicherheitsausstattung dieser Werkstatt und der davorliegenden Tankstelle.


Des öfteren sehen wir Waschplätze, an denen die Maschinen gründlichst per Hand vom allgegenwärtigen Staub gereinigt werden.


























Beim einem unserer Spaziergänge durch die Altstadt von Kathmandu entdecken Albert und ich diesen Laden, in dem in liebevoller Handarbeit die Nummernschilder gemalt werden. Auch bei gründlichster Inaugenscheinnahme konnten wir keinen Stempel, Siegel o.ä. entdecken. Gut für den Schildermaler: alle motorisierten Fahrzeuge benötigen zwei Kennzeichen, auch die Roller und Motorräder.














































































Dieses wunderschöne, handgemalte Nummernschild prangt am Kotflügel einer Enfield Bullet 350.
 
Nun eine andere Hinteransicht einer Enfield. Allerdings finde ich hier mehr das Reifenprofil bemerkenswert, mit dem dieser wagemutige Fahrer diese Straßen bezwingt. Ob das noch Straßen sind? Auf jeden Fall ist bemerkenswert, mit welchen Motorrädern (Enfield) und Motorrädchen (der Rest) die Leute hier fahren.
















































Das Gepäcksystem und die Sicherheitsausrüstung sind unbedingt beachtenswert, vor allem die
Schuhe! Werft auch mal einen Blick auf die Piste.


Mit Passagier geht es auch, dann eben im ersten Gang! Und das ganz schön flott!



























Nachhilfe mit den Füßen ist bei dieser Passage doch erlaubt, oder nicht?


Es folgen bei Gelegenheit noch Bilder von Zweiradfahrern beim Regen! Interessant, so viel kann ich nur schon mal andeuten.