Montag, 28. Oktober 2013
Begegnung mit Rokhi Baba
Seit 2 Tagen sind wir hier in Pokhara; nach vielen Wochen in Kathmandu und Patan bzw. Lalitpur sehnen wir uns nach Nachtruhe ohne Hundegebell, einer heißen Dusche, guter Luft und Entspannung. Nach fast 8stündiger, manchmal abenteuerlicher Busfahrt kommen wir hier an, beziehen unser Hotel mit all diesen Annehmlichkeiten.
Dazu noch eine funktionierende Internetverbindung. Inzwischen sind wir davon ganz schön abhängig geworden, Albert und ich. Gestern kleiner Bummel entlang der Meile hier, die gepflastert ist mit Trekkingausrüstern, Bankautomaten oder Geldwechselstuben, kleinen Tante-Emma-Läden, Geschäften mit Paschminas, Mützen, dicken Socken und vielen Kneipen, Bars und Restaurants. Was uns besonders auffällt: kein Abfall auf dem Gehweg und am Straßenrand. Das ist echt verblüffend und bemerkenswert. Es gibt sogar öffentliche Abfallkörbe.
Heute kaufen wir noch Handschuhe, eine Mütze, Daunenschlafsack, Regenponcho. Morgen früh fliegen wir nach Jomsom, eine kleine Ansiedlung im Distrikt Mustang. Von hier aus wollen wir ein paar Tage wandern; leider ist die Wetterprognose sehr bescheiden, deshalb haben wir nachgerüstet. Auf 2770m Höhe im Kali Gandaki-Tal gelegen ist dieser Flugplatz schwierig anzufliegen, er gilt als gefährlich. Immerhin fliegt man dorthin durch die tiefste Schlucht der Welt! Da trifft es sich für uns besonders gut, dass wir heute, am Tag vor unserem Abflug, einem Sadhu begegnen. Wir beide sitzen in der Bamboo Kitchen Bar, schlürfen unseren Pfefferminztee, hören entspannt der guten Musik zu und schauen auf den Phewasee. So läuft z.B. Lou Reed zum Gedenken an den gerade verstorbenen Musiker. Sogar eines meiner Lieblingslieder, ¨Sunday Morning¨, gesungen von Nico. Lou Reed und ¨Velvet Underground¨ spielen dazu! Es fängt an zu regnen, erst leicht dann immer heftiger.
Ein Sadhu, der kurz zuvor mit einem anderen Sadhu auf der Promenade vorbeigekommen ist, sucht Schutz vor dem Regen und kommt unter das Dach der Bar. Er lässt sich direkt neben uns in die Hocke nieder. Albert lädt ihn zum Pfefferminztee ein, so kommen wir ins Gespräch.
Rhoki Baba, sein Geburtsname ist Tiku Nath, ist 36 Jahre alt und stammt aus einem kleinen Dorf in der Nähe von Delhi. Er ist seit vielen Jahren Sadhu, d.h. ein Heiliger Mann. Er zeigt uns ein Bild seines Gurus, dem er sich angeschlossen hat. Dieser posiert mit seinem meterlangen Haar. Den Namen haben wir leider nicht verstanden. Rhoki Baba ist seit einigen Monaten nur zu Fuß und mit wenig Gepäck auf Pilgerreise nach Muktinath. Dieser Pilgerort liegt im Distrikt Mustang auf ca 3800 m Höhe. Hier befindet sich ein uraltes buddhistisches und hinduistisches Heiligtum und ist somit ein Beispiel für religiöse Toleranz. Auf dem Rückweg nach Delhi will er dann noch in Pashupatinath Halt machen. Diesen für Hindus und Buddhisten gleichermaßen heiligen Ort haben wir während unserer ersten Woche hier besucht (Erste Woche). Als er hört, dass wir dort waren, erzählt er uns, dass er abends gerne mal ein Pfeifchen raucht. Dann könne er besser schlafen, wo immer das ist. Dabei verdreht er die Augen und wir müssen alle herzlich lachen.
Sonntag, 27. Oktober 2013
Ein echter Geheimtipp!
Das ist erstmal der letzte Beitrag für den von manchen so genannten Schlemmer-Blog(-ck!), ein Nachtrag zum post ¨Kaffee und Kuchen¨:
Pramod Thakur
Das schöne Ladenschild hat er bei einem Schildermaler im Stadtteil Lagankhel anfertigen lassen. Hier gibt es auch einen Laden, in dem er seine Shampoos, Puder, Scheren, Rasierklingen etc. kaufen kann. Pramods Arbeitstag dauert 8-10 Stunden an 6 Tagen in der Woche, je nach Anzahl der Kunden. Er bedient nur Herren, schneidet die Haare (auch die Nasenhaare), rasiert und massiert danach den Kopf. Das Massieren hat er hier in Nepal gelernt. Seine wenige Freizeit verbringt er entweder mit Freunden oder vor dem Fernseher. Er deutet auf das Gerät, das in einer Ecke des Ladens steht und auch permanent indische Seifenopern zeigt. Manchmal ist er sehr traurig, dann trinkt er Reisschnaps. Sein Wunsch für die Zukunft ist, dass er weiterhin so viele Kunden und damit Arbeit hat. Das wünschen wir ihm auch. Vor unserer Abfahrt wollen wir beide uns nochmal von Pramod die Haare schneiden lassen.
Donnerstag, 24. Oktober 2013
Hemdas Shilpakar
Bei einem unserer Spaziergänge durch die verwinkelte Altstadt von Patan, durch ihre engen Gassen (siehe Patan-Tour) und vorbei an den vielen kleinen Läden, dampfenden und duftenden Imbissbuden, Schneidern, Kupferschmieden, Zweiradwerkstätten entdecken wir drei die kleine Werkstatt eines Drechslers.
Die ganze Tour galt eigentlich der Suche nach einem solchen, da wir noch kleine Spielfiguren für einen workshop benötigen, in dem wir mit Mitarbeitern des Ankur Counseling Center das Spiel ¨Spitz pass auf¨ herstellen wollen. Aufmerksam werden wir durch die schöne blaue Farbe der Türverkleidung und die daran ausgehängten, kunstvoll gedrechselten Holzteile. Wir müssen uns bücken, betreten den winzigen Verkaufsraum. Der freundliche Besitzer Hemdas Shilpakar bittet uns, auf den niedrigen und ebenfalls winzigen Hockerchen Platz zu nehmen. Im Gespräch versuchen wir dann, ihm unser Anliegen zu erläutern. Als Albert dann noch einen Plan zeichnet, ist alles klar.
Nach dem Dashain-Fest können wir die fertigen Spielfigürchen abholen. Während wir uns verabschieden hat auch seine Frau mit dem noch sehr jungen Söhnchen auf dem Arm den Raum betreten. Beide sind sehr neugierig: Was passiert hier?
Gestern nachmittag haben Albert und ich Zeit und Gelegenheit, die gedrechselten Figürchen abzuholen. Vorher haben wir das bürokratische Hindernis und Abenteuer hinter uns gebracht, permits für die Annapurna-Region zu besorgen. Dorthin wollen wir am Samstag für 10 Tage fahren. Zielsicher finden wir den Laden wieder, aber der Besitzer ist nicht da. Seine Frau telefoniert nach ihrem Mann, der einige Minuten später mit seinem Motorrad voller Holzteile ankommt. In der Zwischenzeit machen wir zwei etwas smalltalk mit der Nachbarin, deren Bruder nebenan ebenfalls eine kleine Holzwerkstatt betreibt. Wir hören das Klopfen und Hämmern. Herr Shilpakar bringt uns nun die Tüte mit den Figürchen; er hatte dann doch etwas Schwierigkeiten mit dem Plan und ein Loch nicht gebohrt. Aber das ist nicht so schlimm, denn vor einigen Tagen haben wir eine wunderschöne rote Bohrmaschine aus China gekauft. Und auch die entsprechenden Bohrer. Aber das ist wiederum eine andere Geschichte.
Wir kommen mit Herrn Shilpakar ins Gespräch. Er berichtet uns, dass er mit 15/16 Jahren begonnen hat, bei seinem älteren Bruder das Handwerk des Drechslers, Holzschnitzers und auch Schreiners zu erlernen. In dieser Zeit hat er dann auch seine Schulausbildung abgeschlossen. Er arbeitete dann einige Jahre in der Werkstatt seines Bruders, bevor er sich selbstständig machte. Hier, in diesen Räumlichkeiten. In den Stockwerken darüber wohnt er mit seiner Familie und, wie wir annehmen, den Schwiegereltern. Seine Frau heißt Sangita, der neunjährige Sohn heißt Nhuja, der kleine Nhupa ist gerade 18 Monate jung. Für ihn hat Anne einen kleinen Spielzeugteddy mitgegeben, den Nhupa dann auch gar nicht hergeben will.
Herr Shilpakar hat schon des öfteren Lehrlinge aus Nepal ausgebildet, die nach ihrer Lehre sich dann ebenfalls selbstständig gemacht haben. Ganz stolz berichtet er, dass z.Zt. eine Frau aus den USA seit 2 Monaten das Drechseln und Holzschnitzen bei ihm lernt, einen Monat bleibt sie noch. Sie wohnt gegenüber, leider ist sie gerade nicht da. Nach seinen Arbeitszeiten befragt, berichtet er, dass er zwischen 8-12 Stunden täglich arbeitet; meistens in seiner kleinen Werkstatt, manchmal aber auch außerhalb.
Das Holz, das er verarbeitet, kommt aus dem Terai, der fruchtbaren Tiefebene Nepals an der Grenze zu Indien. Die hauptsächlich verwendeten Arten sind (auf Nepali) sisum, haldu und sal. Ich google später und finde heraus, dass sisum eine Art Rosenholz ist. Haldu ist ein leicht gelbliches Hartholz. Die bekannteste Holzart ist Sal vom Salbaum, der bis zu 35m hoch wächst und einen Stammdurchmesser von bis zu 2m erreicht. Das Holz ist reich an Harz, dadurch sehr langlebig, aber auch sehr hart. Zum Abschluß des Gesprächs mache ich noch ein paar Bilder in der winzigen Werkstatt und ein Familienbild vor dem Verkaufsraum. Ein interessante Begegnung. Albert und ich sprechen noch lange darüber, unter welchen Bedingungen diese Familie lebt und mit welchem Werkzeug Herr Shilpakar arbeitet. Für uns unvorstellbar.
Montag, 21. Oktober 2013
Khokana und Bungamati
Am Sonntag, 20.10.2013, haben Albert und ich die Gelegenheit, mit Surendras Schwester, Bimita Ranjit, einen Tagesausflug aufs Land zu machen. Genauer: In die beiden Dörfer Khokana und Bungmati. Bimita holt uns hier in Surendras Haus ab, gemeinsam laufen wir zuerst hier durchs Stadtviertel, dann entlang der Ring Road bis zum Ekantakuna Chowk.
Nach ca 20 minütiger Fahrt sind wir am Ziel. Das Bezahlen einer kleinen Gebühr für den Erhalt des Dorfes ist uns schon geläufig. Nun beginnt für Albert und mich eine Zeitreise ganz weit zurück. Ein sehr großer Teil des Lebens und der Arbeit spielt sich in der Öffentlichkeit ab. Jetzt im Oktober findet die Reisernte statt, so dass überall der Reis getrocknet und weiterverarbeitet wird. Die Enten, Hühner und Ziegen suchen ihr Futter, die Hunde liegen dösend auf dem Weg. Die Straßen und Gassen sind für größere Fahrzeuge wie z.B. PKW gesperrt, so dass dies alles möglich ist.
In Bungamati, das etwas größer ist als Khokana, bieten sich uns wieder ähnliche Szenen. Auch hier wird überall Reis getrocknet und geworfelt. Auch mitten auf dem großen Hauptplatz, auf dem der große Rato-Machhendranath-Tempel steht. So ist der Tempel nicht nur Mittelpunkt des religiösen, sondern auch des Alltagslebens. Rato Machhendranath gilt als der Gott der Üppigkeit und des Regens. Die Statue des Gottes ist für sechs Monate hier in Bungamati, die andere Hälfte des Jahres in Patan im gleichnamigen Tempel.
Auf dem Weg zum Buspark kommen wir wieder an vielen Werkstätten vorbei, hauptsächlich Holzschnitzereien, in denen Masken, Figuren und andere Souvenirs produziert werden. Kaufen kann man sie dann gleich hier oder in Touristenvierteln wie in Thamel. Mit dem öffentlichen Bus geht es dann wieder zurück in das Getöse der großen Stadt.
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