Sonntag, 10. November 2013

Ein Moench aus Tibet



Manchmal ist es auf Reisen gut, nach längerer Zeit wieder an einen Ort zurück zu kommen. Jetzt sind Albert und ich nach 7 Wochen wieder hier in Boudha, allerdings wohnen wir in einem anderen, etwas komfortableren Gästehaus. Das Beste daran ist die Nachtruhe, keine bellenden Hunde, die unterm Fenster vorbeiziehen. Als wir wieder unsere gewohnten Runden um die Stupa drehen, kommen wir auf einen jungen Mönch zu sprechen, den wir bei unseren Streifzügen durch die vielen Klöster, die im tibetischen Viertel Kathmandus angesiedelt sind, kennengelernt haben. Schon damals war seine persönliche Situation und seine Verzweiflung darüber, nicht in seine Heimat zurückkehren zu können, das zentrale Thema. Dieses Gespräch und das dadurch vermittelte Schicksal berühren uns sehr, wir sprechen oft darüber. Gerne möchten wir uns mit ihm treffen. An einem sonnigen Morgen ziehen Albert und ich los und suchen ihn. Dabei sehen wir jungen Mönchen beim Fußballspielen zu bzw. wie sie aus Gummischnüren kleine Bälle selbst bauen. Albert kauft kleine grüne Fußbälle, um sie den Jungs zu schenken. Am Nachmittag kommen wir zurück, die jungen Mönche sind wieder am Kicken. Albert holt den Ball aus der Tasche und bringt den Ball ins Spiel, die Jungs sind begeistert. 




Dann ziehen wir weiter, immer noch auf der Suche. Und wir haben Glück, ein paar Ecken weiter steht der Gesuchte, mit anderen Mönchen ins Gespräch vertieft. Ich selbst hätte ihn gar nicht wieder erkannt, aber Albert ist sich sicher. Wir sprechen N.N. an, er freut sich, uns wieder zu sehen. Und so verabreden uns für den nächsten Nachmittag. In einem nahen Cafe finden wir im Garten ein schönes Plätzchen, bestellen uns Kaffee und Tee. N.N. wird Anfang Januar 1987 in Tibet, in einem kleinen Dorf in der Provinz geboren. Die Mutter verstirbt früh, N.N. hat noch 4 Geschwister. Sein inzwischen alt gewodener Vater hat ein Geschäft, in dem er Kleidung und Lebensmittel verkauft. Mit 11 Jahren kommt N.N. in die Schule, die er die nächsten 3 Jahre besucht. Dann beschließt er, auf eigenen Wunsch hin, ins Kloster zu gehen. Die nächsten 18 Monate geht er in diesem Kloster, in dem ca. 120 Mönche leben, zur Schule. Sein Tagesablauf als Novize ist dann streng geregelt: 


6:00 Uhr Aufstehen, dann 1 1/2 Stunden Gebet
7:30 Uhr kleines Frühstück
8:00 Uhr Unterricht bis 11:30 Uhr
12:00 Uhr Mittagessen
14:00 Uhr bis 16:00 Uhr wieder Schule, danach Hausaufgaben.
18:00 Uhr Abendessen
21:00 Uhr Nachtruhe
Nach diesen 18 Monaten versucht er dann, nach Nepal zu kommen, da hier die Bedingungen für Mönche besser sind. Ein Freund seines Vaters gibt den entscheidenen Hinweis auf ein Kloster in Nepal. Seine Erlebnisse mit der chinesichen Obrigkeit in den nächsten beiden Jahren schildert er uns sehr drastisch. N.N. möchte aber nicht, dass ich hier darüber schreibe. Das folgende Bild ist als Aussage wohl ausreichend und eindrücklich.


Die chinesische Polizei befragt seinen Vater noch immer des öfteren über den Aufenthaltsort des verschwundenen Sohnes, der Vater muss lügen, darf nichts sagen. Ein Besuch seiner Familie in Tibet ist z.Zt. ist nicht möglich. So hat N.N. auch keinen nepalischen Pass. Nach seiner Ankunft hier besucht er  noch 7 Jahre die Schule des Klosters, im Jahre 2008 hat er seine Ausbildung abgeschlossen. In diesem Jahr kann er auch für einen Monat nach Indien reisen, nach Dharamsala. Bei dieser Gelegenheit sieht er auch den Dalai Lama. Sein Tagesablauf jetzt läuft nach folgendem Zeitplan:  
5:00 Uhr Aufstehen
5:30 Uhr bis 7:30 Uhr Puja (Gottesdienst), dazwischen wird auch gefrühstückt
7:30 Uhr eine Stunde Meditation  in seinem Zimmer
8:30 Uhr bis 11:30 Uhr Puja
Anschließend ist gemeinsames Mittagessen zusammen mit den anderen Mönchen. In dem Kloster wohnen z.Zt. 110 Mönche, die meisten kommen aus Nepal.
14:00/15:00 Uhr bis 16:30 Uhr Puja, danach Freizeit  
Von 20:00 Uhr bis 21:00 Uhr umrundet er die Stupa, dabei betet er mit der mala, der buddhistischen Gebetskette. Danach geht er zurück ins Kloster, meditiert wieder eine Stunde, dann geht er zu Bett.  


Zur Situation hier in Nepal befragt, äußert sich N.N. sehr besorgt über den wachsenden chinesischen Einfluß hier in Nepal. Wählen kann er am 19. November leider nicht, da er keine nepalische Staatsbürgerschaft hat. Die religiöse Toleranz hier, das Zusammenleben von Buddhisten und Hinduisten schätzt er sehr. N.N. überlegt, ob er versuchen soll, nach Europa zu kommen, um dann als anerkannter Flüchtling endlich in seine Heimat zu reisen und seine Familie wieder zu sehen. Dies ist sein größter Herzenswunsch. Wir wünschen unserem Gesprächspartner, dass dieser Wunsch für ihn bald in Erfüllung geht! Das Gespräch mit ihm wird uns noch lange in Erinnerung bleiben. Wir behalten ihn als angenehmen und zurückhaltenden Menschen in guter Erinnerung.

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